„Das macht mich jetzt aber sehr traurig“, sagt sie. „Ich habe mir so viel Mühe gegeben und wollte dir eine Freude machen, ein Geschenk sollte es sein, und du lehnst es ab“.
So hatte ich mir den Besuch bei meiner Freundin nicht vorgestellt. „Das macht mich traurig“ hat sie gesagt. Und was habe ich gehört? „Du machst mich traurig.“ Denke, ich habe sie traurig gemacht.
Ich habe sie traurig gemacht. Das möchte ich nicht. Das wollte ich nicht. Und: Das habe ich auch gar nicht getan.
Welche Macht müsste ich haben, wenn ich die Gefühle meiner Freundin mache!?!.
Was war da los? Ich spule zurück. Schaue mir in Gedanken die Szene vom Vorabend noch einmal an.
Ich fühlte mich scheiße. Traurig. Ja auch traurig aber irgendwie anders. Ich weiß nicht – war es die Scham, die sich da zeigte? Meine Hände drückten fest an die Stirn, wollten die Augen und mein Gesicht schützen, wollten Mich verbergen. Ich wünschte ich hätte nichts gesagt oder Es nicht gesagt. Ich wäre am liebsten verschwunden, in Luft aufgelöst, und ich machte mir Vorwürfe:
Hätte ich doch den Mund gehalten, wäre ich doch früher gegangen, hätte ich doch bloß nicht gesagt, wie es mir geht, nicht gesagt was ich möchte und was ich nicht möchte.
In mir drinnen ist Aufruhr. Mein Bauch ist gespannt. Mein Atem ist flach. Als ob ich mich auf diese Weise zusammenhalte. Den Tumult stoppe. Mich ausbremse. Ob ich zerberste? Ob ich auseinanderfliege, wenn ich mich weit mache?
Wer war das? Wer ist das? Wer spricht denn da mit mir und aus mir heraus?
„Du undankbares Luder“ zischt es zwischen den Rippenbögen hindurch.
„Nichts. Nein. Wirklich. Nichts hast du verdient!“ hämmert es herzseitig.
„Warum bist du nur so – Sooo“ dröhnt es hinter der Stirn.
„so – ja, wie denn?“ klingt es frech und mutig und wehrhaft aus dem unteren Bauchraum.
Ich richte mich auf. Öffne die Arme. Öffne meinen Mund und lasse Töne heraus. Warmes Vibrieren durchströmt meinen Körper. Atme ein und atme tönend aus bis ich leer bin. Atme ein und atme aus. Bin umgeben von meiner eigenen Stimme und werde getragen von einem weichen, kräftigen Teppich aus Tönen.
Ich öffne das Fenster und lasse die Monster hinaus. Ich schaue dem „du bist verkehrt. So sollst du nicht sein. So bist du nichts wert“ hinterher. Lasse sie ziehen. Und schenke mir selbst ein freundliches Lächeln.
Denke: Wie schön, ich kann mir meine Gefühle selber machen.