Meine Freundin sagt, dass es um die Weihnachtszeit herum vermehrt zu Familienkrisen kommt. Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt und Inobhutnahmen verdichten sich, dass die Suizidrate steigt, sei ein Mythos, dass die Unfallrate steigt, stimmt. Weihnachten ist das Fest der Lügen und der Angst behauptet sie und ich gebe zu, dass auch meine Weihnachtserinnerungen ziemlich gruselig sind und dass ich dieses Fest nicht mag.
Ich bin vor Angst fast gestorben als Fünfjährige, Sechsjährige und auch noch mit Sieben, wenn ich mich in den hintersten Winkel unter der Eckbank verkrochen hatte und auf die schwarzen Stiefel des Nikolaus starrte. Knecht Ruprecht steht auch schon bereit, da war ich ganz sicher. Gleich würde er eintreten und mich verdreschen mit einem Reisigbesen – so stellte ich mir die Rute vor, die er ja angeblich bei sich führt.
Damals glaubte ich noch, dass die Erwachsenen die Wahrheit sagen. Ich sei kein gutes Kind, hatten sie behauptet, und dass die bösen Kinder Schläge kriegen. Bestimmt haben sie recht, dachte ich und wenn nicht, dann würde man den Großen bestimmt mehr glauben als mir, diesem kleinen Mädchen. Widerspruch ist zwecklos oder würde meine Lage sogar noch verschlimmern, auch das hatte ich irgendwo schon gehört. Und immer wenn ich versuchte, sie beiseite zu schieben, meine Zweifel an der mir innewohnenden Bosheit, dann meldete sich eine andere Stimme, die sagte, dass dieses verhaltene Misstrauen schon ein Zeichen und Teil meiner Bosheit und Ungehörigkeit sei.
Und ich schwieg.
Ich wuchs heran und die Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Vater und Mutter und Tante und Onkel wuchsen mit mir. Zuerst waren es feine Risse, die sich Bahn brachen, zuerst in mir und dann zwischen uns. Sie wurden breiter und dehnten sich aus, tiefe Gräben waren entstanden, die uns voneinander trennten.
Erwachsene lügen! Das wurde zur Wahrheit. Es gab keine Schläge. Nicht am 6. Dezember und auch nicht am 24.. Da kauerte ich dann wieder unter der Eckbank, und diesmal war es das Christkind vor dem ich mich fürchtete. Es trug weiße Schuhe und ein weißes Kleid. Dass es Engelsflügel an den Schultern und einen Heiligenschein über dem Kopf hatte, konnte ich nur vermuteten, denn ich sah es ja nicht. Ich saß ja ganz hinten in der Ecke unter der Sitzbank und zwischen den Tischbeinen hindurch konnte ich nur den unteren Teil dieser fremden Gestalt erkennen. Eine süßliche Stimme mahnte zu Gehorsam und Dankbarkeit, grundsätzlich und von jedem Kind gegenüber Vater und Mutter und von mir ganz speziell. Für den Fall, dass ich, das kleine Mädchen, die Eltern enttäusche, wurde mir eine gruselige Zukunft prophezeit.
Kein einziges Mal habe ich als Erwachsene Weihnachten gefeiert, ich hasste die Kränze, die Tannen, Lametta und Kerzen sogar. Ab Mitte Dezember machte ich Überstunden. Ich arbeitete gern, und meine Kolleginnen mit Familienanschluss freuten sich, wenn ich ihre Dienste übernahm. Sie mögen Weihnachten. Wahrscheinlich haben sie andere Erinnerungen als ich.
Perfektinchen hat Urlaub
Perfektinchen hat Urlaub und ich einen Blog Im Sommer 2021 sagte ich, dass ich im kommenden Jahr, vielleicht, einen Blog öffnen würde. Im Januar 2022 sagte ich, dass ich sehr wahrscheinlich bald einen Blog öffnen würde, und ich sammelte Texte. Wissenswertes zur...