Über Glaubenssätze möchte sie sprechen, sagt Frau Kreisel, kaum dass ich meine Eingangsfrage gestellt hatte.
„Was für ein Geschenk“ denke ich und mir ist klar, dass man mir die Freude sofort ansieht. Ich liebe die Arbeit mit Glaubenssätzen. Und noch nie hat eine Klientin mir das Thema so offensiv angeboten. Normalerweise bin ich es, die das Thema anbietet und meine Klientinnen steigen ein, mehr oder weniger zaghaft und manchmal werde ich gefragt: „was genau ist denn eigentlich ein Glaubenssatz?“
Frau Kreisel erzählt, dass sie ein Buch gelesen hat, in dem es um unerfüllte Bedürfnisse und um hinderliche Glaubenssätze geht. Sie weiß den Titel nicht mehr. „Es ist irgendwas mit inneres Kind, das irgendetwas finden muss“ sagt sie und ich antworte „das Kind in dir muss Heimat finden“. „Ja genau, haben Sie das auch gelesen?“ „Nein“ antworte ich. „Ich habe eine Muss-Allergie und wenn mein inneres Kind irgendetwas muss dann will ich nicht mehr“.
Großes Gelächter am kleinen Gesprächstisch. Auch das kommt nicht so oft vor, dass so herzlich und so laut gelacht wird in einer Beratungssituation. Ein kleines Lachen ist fast jedes Mal dabei aber hier war ich selbst überrascht, was die Wortschöpfung „Muss-Allergie“ ausgelöst hat. „Sie soll aber sehr viele kluge Dinge geschrieben haben“, ergänze ich, denn ich habe wirklich nur gute Rezensionen zu diesem Buch gelesen. Nur selbst habe ich es nicht gelesen – wie gesagt, dieses „Muss“ im Titel ließ mich zurückschrecken.
Es wird eine konzentrierte und dichte Beratungseinheit. Frau Kreisel erzählt und ich unterbreche, wenn ich meine, einen Glaubenssatz herausgehört zu haben. Sie prüft und wenn es für sie stimmt, schreibt sie sich den Satz, an den sie bisher – bewusst oder unbewusst – glaubte, auf. Im zweiten Teil der Stunde überprüfen wir ihre Sätze. Und Frau Kreisel entscheidet, ob sie den Satz behalten möchte oder ob sie ihn loslassen möchte. Frau Kreisel möchte alle ihre alten Glaubenssätze loslassen, sie waren hinderlich, lebensfeindlich und schädlich für ihr seelisches Wohlbefinde. Für jeden alten Satz findet sie einen neuen, einen positiven Satz an den sie viel lieber glauben möchte, wir formulieren neue Weisheiten, Lebensmotto, die wegweisend sein sollen für ihr Leben. Dabei haben wir viel Spaß und manchmal bin auch sehr direktiv – freundlich direktiv. Ich darf das, ich habe mir ausdrücklich die Erlaubnis dafür abgeholt.
„Puh, ich bin wieder ganz schön ins Schwitzen gekommen“ sagt sie am Ende der Sitzung und lacht. „Das ist anstrengend mit Ihnen aber ich komme auch wirklich gut weiter.“
Frau Kreisel wird ihre sieben neuen Glaubenssätze so in ihrer Wohnung visualisieren, dass sie täglich daran vorbeigeht und um sich daran zu erinnern. In zwei Wochen sehen wir uns wieder. Ich bin gespannt …
Heute Vormittag stöberte ich in einer alten Sprichwörtersammlung. Sprichwörter können sehr hilfreich sein, bei der Suche nach Glaubenssätzen, die im Verborgenen wirken. Und ich fand einen Satz, den ich vor einigen Jahren für mich selbst erfunden habe:
„Müßiggang ist aller Schöpfung Anfang.
Drum üb‘ ich täglich Müßiggang, damit ich kreativ sein kann“.