Die Rettung – Und dann noch ein Märchen
Man schreibt das Jahr 1945. Es ist Frühling. Der genaue Monat und Tag ist mir aus den Erzählungen meiner Eltern und Großeltern nicht in Erinnerung geblieben.
In einem kleinen 300-Seelen-Dorf an der Havel herrscht große Nervosität, Unruhe, ja panikartige Stimmung. Auch in den Nachbarorten, die alle idyllisch im Havelland eingebettet liegen, hat es sich herumgesprochen: Die Russen kommen! Jeder bringe sich und sein Hab und Gut in Sicherheit! Die wichtigsten Sachen haben meine Eltern bereits vergraben. Viele Bewohner haben Todesangst! Von den Vorstellungen getrieben, was alles Schlimmes passieren kann, tragen sie sich zunehmend mit den Gedanken, sich selbst umzubringen, bevor es die feindlichen Soldaten tun.
So dachten auch meine Eltern. Gerade war doch mein Vater erst aus der Kriegsgefangenschaft, traumatisiert, aber lebend, zurückgekehrt. Und nun das – Todesgedanken aus Angst.
Das halbe Dorf versammelt sich an einem Nebenarm der Havel, der nahe dem Ort vorbeifließt. Sie wollen sich einfach vom Fluss mittreiben lassen. Einige Menschen taten bereits den ersten Schritt. Meine Mutter, die mit mir hochschwanger ist, mein Vater, mein 5-jähriger Bruder, meine Großeltern zögerten noch, doch dann gehen auch sie ins Wasser.
Plötzlich erscheinen auf der Brücke berittene Soldaten. Sie rufen laut, unverständliche Worte, gestikulieren heftig. Sie kommen näher, erreichen das Flussufer. Es sind russische Soldaten. Sie steigen von ihren Pferden, nehmen die Gewehre von den Schultern und legen sie – ab. In Windeseile holen sie nach und nach alle Menschen aus dem Wasser. Zwei Dorfbewohner können nur noch tot geborgen werden. Meine Familie wird gerettet. Mein Bruder konnte wiederbelebt werden.
Fast wäre ich nicht geboren worden. Dank der Rettungsaktion durch die russischen Soldaten erblickte ich vor 76 Jahren am 17. August das Licht der Welt! Und erhielt die Namen Gertrud Luise Liesbeth.
Schlussfolgerung: So entstand die Deutsch-Sowjetische Freundschaft.
Dieser Beitrag entstand im August 2021 in der Reihe „Familiengeschichte schreiben“ und ich bedanke mich bei der Autorin für ihr Textgeschenk, das mich an Märchen glauben lässt.
Soldaten sind Menschen – Ein Märchen
Man schreibt das Jahr 2022. Es ist Frühling. In Europa ist wieder Krieg. Menschen töten sich gegenseitig mit grausamen Waffen. Menschen weinen. Menschen schreien. Menschen leiden. Menschen führen Befehle aus. Menschen fliehen. Menschen hoffen. Viele Menschen sind mürbe, weil eine Pandemie bereits viele Leben gefordert hatte. Viele sind kraftlos. Mutlos. Dieser Krieg würde der letzte sein. Er würde alles vernichten. Kein Leben würde auf dieser Erde mehr möglich sein. Und plötzlich – legen alle ihre Waffen nieder.